Durch die beiden Kristallfenster der schoenen und reichen Kapelle zu Munchen in der Residenz schien die rote Wintersonne. Das schmale Gewoelbe, weisser polierter Gips, nahm purpurne Flecken und Linien an, als wurde es angehaucht. UEber dem Pflaster von Jaspis und Achat auf Kniestuhlen der bayrische Hof, spanische Kostume, gesenkte Schultern, niedergedruckte Koepfe, grauhaarig, weisse Perucken, dunkle gezugelte Locken. Auf der Kanzel zur Linken des grossen Silberaltars mit den Reliquien und dem reitenden Ritter Georg - golden, drei Federbusche am Helm mit Diamanten, Rubinen, Smaragden - sprach in schwarzem geschlossenen Jesuitenrock ein langer glutaugiger Priester; seine Arme fuhren, ohne dass sie es sahen, uber sie weg in der drohenden Erregung: "Es ist eher erlaubt, Gott zu hassen als zu lieben. Denn Gott steht uns zu fern, zu hoch; es ist eine Sunde, sich ihm zu nahen, selbst in Gedanken. Zu wagen, ihn zu lieben, wie dieses und jenes aus dem Alltag, ihn behangen mit Putz Juwelen und Gold, ihm zarte Gefuhle darzubringen: das heisst, ihn erniedrigen. Es ist das Vergehen einer Beleidigung der Goettlichkeit. Kriechen vor ihm, ihm ausweichen, ja ihm grollen: das mag einem Menschen gut anstehen. Ihr habt schon Gott verleugnet in dem Augenblick, wo ihr ihn nicht furchtet. Er hat euch keine Freundlichkeit gegen sich erlaubt, ist nicht euer Vater, eure Mutter, euer Buhle, euer Herzensbruder. Er ist nicht einmal euer Koenig und Furst, er lehnt es ab, euer Richter zu sein; sein Gericht ist euch nicht zuganglich; er vollzieht es, wann er will und gegen wen er will. Es lasst sich nicht fassen und erforschen, wer er ist, und darum heisst es nur, Grauen vor ihm empfinden - und so habt ihr getan, was Menschenpflicht ist.